Deutsche lernen nicht, Unternehmen zu führen

Deutsche lernen nicht, Unternehmen zu führen

Das bleibt nicht ohne Konsequenzen

Die Schul- und Ausbildung in Deutschland ist sehr darauf fokussiert, Angestellte oder Beamte hervorzubringen. Gründer und Selbstständige sind eher die Ausnahme. Zahlen der Europäischen Kommission zeigen, dass dies nicht ohne Konsequenzen bleibt. So sehen sich in Deutschland nur rund ein Drittel der Personen zwischen 15 und 64 Jahren durch ihre Ausbildung befähigt, ein eigenes Unternehmen zu führen. Im Vereinigten Königreich sind es sogar noch weniger. Anders die Situation beispielsweise in den USA, wo mehr als die Hälfte sich für die Selbstständigkeit gerüstet sehen – und so mitunter auch neue Jobs erschaffen.

Infografik Deutsche lernen nicht Unternehmen zu fuehren

Gründungsbereitschaft im internationalen Vergleich

Selbstständigkeit ist in Europa und Nordamerika eher die Ausnahme. Die meisten Erwerbstätigen sind hier für Arbeitgeber tätig. In Deutschland etwa arbeiten rund 36 Prozent in Vollzeit für jemand anderen. Deutlich verbreiteter sind selbstständige Tätigkeiten in Asien und Afrika. Doch Selbstständigkeit ist nicht gleich Selbstständigkeit, wie eine Grafik von Statista zeigt, die auf Daten von Gallup beruht.

Wenn Personen in Nordamerika oder der EU sich als Selbstständige bezeichnen, geben sie meist auch an, ein eigenes Unternehmen zu besitzen. In anderen Regionen der Welt ist das anders, hier ist Selbstständigkeit nicht so eng mit Unternehmertum verbunden. Im südlichen Teil von Afrika etwa gibt nur die Hälfte der Selbstständigen an, ein Unternehmen zu besitzen. Hier sind viele Selbstständige zum Beispiel im Rahmen der Familie tätig. Insgesamt ist aufgrund des hohen Anteils der Selbstständigen der Anteil der Erwerbstätigen, die sich als Unternehmer ansehen, jedoch dennoch größer.

Interessant ist auch, dass in südostasiatischen Ländern wie den Philippinen, Fächer an den Highschools und Colleges gelehrt werden, in denen die Schüler Projekte durchführen, die darauf abzielen, ein eigenes kleines Business zu starten. Sie lernen dort eine Geschäftsidee zu entwickeln und die Umsetzung zu planen und zu kalkulieren. Anschließend werden die Projekte praktisch durchgeführt und bewertet.

Infografik Anteil der Selbststaendigen gemessen an allen Erwerbstaetigen

Deutschlands Jugend mit wenig Unternehmergeist

Deutsche Jugendliche verbreiten dagegen wenig Gründungsgeist. Das zeigen die Ergebnisse einer Untersuchung des Europäischen Parlaments. In einer telefonischen Befragung wurden EU-weit 13.437 Personen zwischen 16 und 30 Jahren befragt, 500 davon in Deutschland. Eine der Fragen zielte darauf ab, zu erfahren, ob die Interviewten vorhaben, ein eigenes Unternehmen zu gründen. „Welche der folgenden Aussagen zur Gründung eines Unternehmens/Geschäfts kommt Ihrer Situation am nächsten?“, wurden sie gefragt. Die Antwortmöglichkeiten:

  • Sie haben ein Unternehmen/Geschäft gegründet
  • Sie beabsichtigen, in den nächsten Jahren ein Unternehmen/Geschäft zu gründen
  • Sie würden gerne ein Unternehmen/Geschäft gründen, sind jedoch der Meinung, dass dies zu kompliziert ist
  • Sie haben versucht, ein Unternehmen/Geschäft zu gründen, jedoch aufgegeben, weil es zu kompliziert war
  • Sie möchten kein Unternehmen/Geschäft gründen

EU-weit will den Ergebnissen zufolge rund die Hälfte kein eigenes Unternehmen gründen. Rund ein Viertel hält die Umstände zur Gründung für zu kompliziert oder hat deshalb bereits eine Gründung aufgegeben. Im Vergleich wird diese Problematik in Deutschland jedoch geringer eingeschätzt, als in anderen Ländern. Dies gilt trotz des geläufigen Stereotyps, dass hierzulande besonders viele Paragraphen und Steuergesetze zu beachten sind.

Vielleicht liegt es daran, dass sich viele erst gar nicht mit der Thematik beschäftigen. Der niedrige Satz derjenigen, die hohe Hürden bei der Gründung sieht, sorgt nämlich nicht dafür, dass in Deutschland viele ein eigenes Unternehmen aufbauen wollen. Im Gegenteil: 72 Prozent wollen kein eigenes Unternehmen gründen. Im europäischen Vergleich ist der Gründungswunsch in Deutschland damit besonders gering. Womöglich bremst die vergleichsweise gute Konjunkturlage in dieser Hinsicht die Innovation in der Bundesrepublik ungewollt.

Arbeitslosigkeit führt nicht zwingend zu hohen Gründerquoten

Auch wird die Selbstständigkeit nicht zwingend als Weg aus der Arbeitslosigkeit gesehen? Vergleicht man die durchschnittlichen Arbeitslosenquoten und die Gründerquoten pro Bundesland miteinander, sind beide zwar in Berlin am höchsten, andere Regionen folgen diesem Beispiel jedoch nicht. Eine Korrelation nach der Logik: Wo es hohe Arbeitslosenquoten gibt, gibt es auch viele Gründer, existiert derzeit ebenso wenig wie die mit umgekehrten Vorzeichen, wonach es wenige Arbeitslose in Bundesländern mit vielen Gründern gäbe.

Infografik Durchschnittliche Arbeitslosenquote und Gruenderquote

Freunde und Verwandte sind größter Gründungsmotor

Diejenigen, die dennoch den Schritt in die Selbständigkeit wagen, greifen häufiger auf die Unterstützung von Verwandten und Freunden zurück, als die von Banken oder anderen Institutionen. Nur ein Viertel der Gründer in Deutschland hat im vergangenen Jahr Förderkredite in Anspruch genommen. Zuschüsse durch die Bundesagentur für Arbeit halfen sogar nur 13,5 Prozent von ihnen. Deutlich verbreiteter ist die Unterstützung aus dem privaten Umfeld. Laut KfW haben fast 40 Prozent der Gründer ein Darlehen oder Geschenke von Verwandten oder Freunden genutzt, um ihre Selbstständigkeit zu finanzieren.

Infografik Von Gruendern in Deutschland genutzte externe Finanzierungsquellen

 

 

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